Radovasn Karadžić wurde heute vom Internationalen Strafgerichtshof für das eheemalige Jugoslawien in Den Haag in einem Fall von Völkermord, fünf Fällen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und vier Fällen von Kriegsverbrechen während des Bosnienkriegs 1992 bis 1995 für schuldig gesprochen. Diese Verurteilung stellt einen wichtigen Schritt in Richtung Gerechtigkeit für die Opfer des Krieges in Bosnien und Herzegowina dar. Karadžić wurde zu 40 Jahren Haft verurteilt. Sein Anwalt will gegen das Urteil Berufung einlegen.
Das Gericht verurteilte Karadžić für seine Beteiligung am Genozid von Srebrenica, bei dem im Juli 1995 in wenigen Tagen mehr als 7.000 bosnische Männer und Jungen ermordet wurden. Das Gericht befand ihn ebenfalls verantwortlich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, die Folter, Vergewaltigungen und Ermordung in der Haft von mehr als 1.000 bosnischen Muslimen und Kroaten umfassten, die mit dem Ziel verfolgt wurden, sie aus Gebieten zu vertreiben, die von den bosnischen Serben beansprucht wurden. Das Gericht befand, dass seine Rolle bei der Belagerung von Sarajevo so wichtig war, dass die Belagerung ohne seine Mitwirkung nicht stattgefunden hätte.
Seit seiner Gründung 1993 hat der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien gegen 161 Personen wegen Verbrechen unter internationalem Recht ermittelt. 149 Personen wurden angeklagt, davon 7 Personen wegen des Genozids von Srebrenica. 12 Fälle, darunter auch der Fall von Ratko Mladić, dem militärischen Führer der bosnischen Serben, der ebenfalls wegen des Genozids in Srebrenica angeklagt ist, werden noch verhandelt.
Trotzdem ist für viele Menschen in Bosnien und Herzegowina Gerechtigkeit nur schwer fassbar. Der Bosnienkrieg forderte 100.000 Todesopfer, von denen ca. 38.000 Zivilisten waren. Weniger als 1.000 Kriegsverbrechen wurden bisher ermittelt und vor staatlichen Gerichten angeklagt. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hat nur zu den bedeutensden Fällen gearbeitet und wird seine Arbeit nach Abschluss der laufenden Fälle einstellen. Das Schicksal von Tausenden ist nach wie vor ungeklärt.
Amnesty International fordert die Behörden von Bosnien und Herzegowina auf, insbesondere das Schicksal von ca. 8.000 „Verschwundenen“ mit Nachdruck aufzuklären und den betroffenen Familien endlich Zugang zu Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung zu geben.